Das heutige Königsschießen in den Schützenvereinen hat seinen Ursprung in einer alten Tradition, die bis in das zwölfte Jahrhundert zurückreicht und deren Ursprung wahrscheinlich aus Flandern, heute eine Provinz Belgiens stammt.
Mit den zurückkehrenden Zugvögeln freuten sich damals die Menschen auf das Ende des Winters und den bevor-
stehenden Frühling. In der Hoffnung auf viel Sonne und eine gute Ernte trugen sie als Opfergabe auf einem Pfahl einen toten Sperling um das Dorf und die Gemarkung.
Nach Beendigung des Dorfganges wurde der Vogel mit Pfeil und Bogen von der Stange heruntergeschossen. Der Bauer, bei dessen Schuss der Vogel fiel, sollte besonders reiche Ernte erlangen.
Weil der christliche Glaube derlei Opferrituale untersagt, wurde im Laufe der Zeit aus dem Sperling ein hölzerner Vogel. Zunächst ein Falke wegen dessen viel gerühmter Jagdfähigkeit, später dann ein Adler.
Im Mittelalter, als die Armbrust Einzug hielt, bildeten die Schützen eigene Zünfte oder Gesellschaften, die unter anderen Aufgaben auch militärisch für den Schutz der Gemeinde oder der Stadt zuständig waren.
Von diesem Zeitpunkt an wurde regelmäßig die Treffsicherheit geübt und es fanden auch Wettbewerbe statt, die man heute durchaus als sportlich einstufen könnte.
Einmal im Jahr wurde der beste Schütze ausgeschossen. An dem alten Ritual wurde festgehalten und man schoss auf einen geschnitzten Adler aus Vollmaterial. Die abfallenden Holzteile wurden gewogen, derjenige mit dem schwersten Stück war Sieger.
Er musste einen Titel erhalten; man nannte ihn den Schützenkönig. Heute, in der modernen Zeit wäre er der Vereinsmeister.
In der Zeit der Armbrüste entwickelte sich als Abkehr vom Adlerschießen das Stern und auch das Blatt’l – Schießen, das auch heute noch in etlichen Gegenden Anwendung findet.
Mit Aufkommen der Feuerwaffen wurde die Treffsicherheit viel exakter und es entwickelten sich weitere Wettbewerbe. Im Spätmittelalter, als sich die Landesfürsten Söldnerheere leisten konnten, verloren die Schützenzünfte ihre Bedeutung als Schutzmacht der Gemeinden.
Sie wurden zu reinen Gesellschaften und Vereinigungen, also Vereinen. Vom Landesherrn wurde etlichen Gesellschaften das Privileg erteilt Waffen besitzen zu dürfen. Daher stammt die heute noch oft gebräuchliche Abkürzung „PSG“ - Privilegierte Schützengesellschaft. (weiter)
Viele dieser Vereinigungen behielten bis in die heutige Zeit aus Tradition das „Königsschießen“ bei. Im neunzehnten Jahrhundert begann man den figür-
lichen Adler aus Herstellungsgründen in eine flache Art in Form des Reichsadlers zu ändern. Beide Arten finden heute, landsmannschaftlich unterschiedlich, zu den Königsschießen Verwendung.
Aber immer noch werden diese Holzadler in Stücke geschossen. Bereits im achtzehnten Jahrhundert verbreitete sich die Sitte, den Schützenkönig mit einem großen Fest zu feiern. Teilweise wird er am Morgen nach dem Schießen von seinen Kollegen mit Blasmusik zu Hause abgeholt und durch den Ort geleitet bis zum Festplatz. So entstanden die großen Schützenfeste mit den vorangehenden Festzügen.
Lokal unterschiedlich wurden die Schützenkönige vom Landesfürsten dergestalt ausgezeichnet, dass sie für ein Jahr von allen Abgaben befreit waren, oder das Recht erhielten, eine Brauerei zu gründen.
Als Zeichen ihrer Würde tragen die Schützenkönige für das Jahr ihrer Amtszeit die Königskette.
Diese Ketten sind oft sowohl vom Materialwert her und auch historisch sehr wertvoll: oft echtes Silber oder sie enthalten kostbare alte Münzen. In der Regel sind sie auch entsprechend schwer.
In vielen Vereinen erhalten die Könige als Erinnerung eine aus Holz gedrechselte Scheibe mit stilvollem Motiv. Verschiedentlich wir der König auch durch direkten Schuss auf diese Scheiben er-
mittelt. Jeder Teilnehmer hat dann nur einen Schuss. Der, dessen Treffer am nächsten zur Mitte liegt, ist Schützenkönig und darf die Scheibe behalten. Der Verfasser dieser Zeilen hat im nord-
deutschen Raum aber auch in Bayern an Privathäusern solche Scheiben gesehen, einhundertfünfzig Jahre alt und ältere.
Die größten Schützenfeste Deutschlands finden in Norddeutschland statt. Die dort stattfindenden Festzüge sind weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt.
In unserem Verein hat das Königsschiessen seit der Vereinsgründung ebenfalls eine lange Tradition. Wie es früher ausgetragen wurde, ist uns nicht bekannt, weil die Unterlagen durch Kriegseinflüsse verloren gingen.
Ab 1953 aber wurde das Schießen mit vier unterschiedlichen Waffen ausgetragen. Jeweils drei Schuss mit dem Luftgewehr, der Luft-
pistole, dem Kleinkalibergewehr und der Kleinkaliberpistole wurden auf ganz normale Sportscheiben abgegeben. Als Gesamtergebnis wären einhundertzwanzig Ringe möglich gewesen, also zwölf mal die Zehn.
Dieses Spitzenergebnis hat aber niemals jemand erreicht. Ab ungefähr einhundertfünf Ringen durfte man sich Hoffnung machen. Über die ganzen Jahre hinweg lagen immer nur sehr gute Allround-Schützen vorne und es wurde langweilig.
Deshalb und auch um die Teilnehmerzahl wieder zu erhöhen, beschloss der Vereins-
vorstand im Jahr des 125-jährigen Bestehens 1987 wieder auf die althergebrachte Tradition zurückzugreifen. Seither wird wieder auf einen Holzadler geschossen, weil so jeder Teilnehmer eine reelle Chance hat. Aus Kostengründen wird der Adler von einem Vereinsmitglied hergestellt. (weiter)
Weltliche Könige verfügten schon immer über drei Ritter, die ihnen als persönliche Bedienstete zur Verfügung standen. Für das leibliche Wohl und die Unterbringung der Truchsess, für die Getränke der Schenk und für die Pferde der Marschall. Den Schützenkönigen stehen ebenfalls drei Ritter zur Seite. Dies sind in der Rangfolge der Treffer die drei nächst platzierten. Von den vorab genannten Aufgaben sind sie befreit, obwohl mancherorts der Schützenkönig das Fest und oder die Zeche zu begleichen hat.
Es sei vorausgeschickt, dass in unserem Verein derlei Gebräuche keine Anwen-
dung finden, obgleich der Schützenkönig immer etwas „ Flüssiges „ spendiert, um ihn hochleben zu lassen.
Das Schießen findet nun wie folgt statt:
An einem Samstag oder Sonntag im Spätherbst wird der Adler auf dem Gewehrstand in fünfzig Meter Entfer-
nung aufgebaut. Geschossen wird mit dem Kleinkalibergewehr, allerdings aufgelegt, damit die reinen Sportgewehr-
schützen keine Vorteile haben.
Die interessierten Teilnehmer sollten zu einer vorab festgelegten Uhrzeit anwesend sein. Die Teilnahme ist zugelassen ab sechzehn Jahren. Der König des Vorjahres schießt an. In Reihenfolge der Anmeldungen gibt nun jeder einen Schuss ab, zunächst auf die Markierung des linken Flügels.
Diese hat einen Durchmesser von 4,5 cm. Sind alle durch wird von vorne begonnen, so lange bis irgendwann der Flügel abfällt. Die Flügel sind von oben und unten bis zur Markierung eingesägt. Der Teilnehmer, bei dessen Schuss der Flügel abfällt, ist zweiter Ritter.
Er muss nun aussetzen bis zum Schiessen auf den König. Dann beginnt alles von vorn analog auf den rechten Flügel. Später eintreffende Teilnehmer können immer noch einsteigen. Fällt der rechte Flügel, ist der erste Ritter ermittelt. Nun wird auf die Krone geschossen. Diese ist oberhalb des Adlerkopfes befestigt. Ein Einsteigen ist jetzt nicht mehr möglich. Der zweite Ritter schießt wieder mit. Sollte er König werden, entfällt der Ritter - Titel und sein Vor - schütze rückt nach, denn dieser könnte mehr Holz abgeschossen haben als der Ritter selbst.
Fällt die Krone, ist der Schützenkönig ermittelt.
Das Ganze wird natürlich entsprechend lautstark von “fachkundigen” Kommen-
taren begleitet. Wer daneben trifft erntet auch spitzzüngige Häme.
Verfügt der Verein über genügend Jugendliche, wird für diese ein eigenes Schießen ausgeschrieben.
Im Gegensatz zu früher schießen die “Weibersleut”heutzutage gleichberechtigt mit. Es gibt ausgezeichnete Sportschütz-
innen und in der näheren Vergangenheit gab es in unserem Verein bereits einige Schützenköniginnen.
Meistens eine Woche nach dem
Schiessen findet die Königsfeier statt, bei der bei einem guten Essen und fröhlichem Beisammensein die Majestäten inthronisiert werden.Seit alters her werden bei dieser Feier auch langjährige Vereinsmitglieder und auch jene, die sich besonders verdient gemacht haben, geehrt.
So auch in diesem Jahr wie in der ein- gefügten Fotogalerie zu sehen ist.
Auch in unserem Verein wurde über viele Jahre hinweg den Schützenkönigen eine Ehrenscheibe gewidmet. Fünfzig davon hängen im Schützenhaus.
Leider haben wir jetzt keinen Platz mehr um weitere aufzuhängen. Die Könige werden nun auf einem neuen Ehrenschild verewigt.
Geneigter Leser.
Der Verfasser könnte noch weit ausführlicher über die Tradition des Königsschießens berichten. Er hofft aber, Ihnen einen ausreichenden Überblick über eine schöne Tradition innerhalb der Schützenvereine vermittelt zu haben, die heutzutage nicht mehr ganz so ernst genommen wird und in unserem Verein eher einen recht lustigen, gesellschaftlichen Anlass darstellt. (weiter)